Noch eine Woche bis zur Judo-Europameisterschaft in Sofia 2022. Geht’s nach Headcoach Yvonne Bönisch, dann soll es in Bulgarien den ersten EM-Titel für Österreich seit 4.026 Tagen (seit 2011, Sabrina Filzmoser, Istanbul, -57 Kilogramm) geben. Seit damals haben die rot-weiß-roten Judoka nicht weniger als 10 EM-Medaillen geholt, aber keine in Gold. „Seit ich in Österreich bin, haben wir bei Olympia Silber und Bronze gewonnen, bei WM und EM jeweils einmal Bronze. Ein EM-Titel wäre ein idealer Start in die Saison“, hofft die Olympiasiegerin von 2004, um dann einzuschränken: „Die EM hat traditionell einen hohen Stellenwert, wir haben aber das Training darauf ausgerichtet, dass unsere Athletinnen und Athleten Ende Juni, mit Beginn der Olympia-Qualifikation für Paris, in Form kommen. Absoluter Saison-Höhepunkt ist die WM im Oktober in Taschkent.“
Die größten Chancen hat das rot-weiß-rote Team unzweifelhaft am Samstag, dem zweiten Wettkampftag (30.4.). Olympia-Silbermedaillengewinnerin Michaela Polleres (-70 kg) ist als Nummer drei gesetzt – vor ihr sind nur Weltmeisterin Barbara Matic und die Niederländerin Sanne Van Dijke gereiht, beide hat die Niederösterreicherin in Tokio besiegt. Die 24-Jährige laborierte zuletzt an einer Gehirnerschütterung. Die Verletzung ist aber vollständig ausgeheilt. „Ich habe mich bewusst nicht unter Druck gesetzt, bin sehr behutsam wieder ins Training eingestiegen. Jetzt fühle ich mich wieder zu 100 Prozent fit.“
Magdalena Krssakova (-63 kg) geht als Nummer vier ins Turnier. Die Erinnerungen an 2020 sind noch präsent. „Ich habe in Prag Silber geholt – sicher mein größter Erfolg bisher. Das war ein fast perfekter Tag, vielleicht vom Finale abgesehen.“ Die 28-jährige Wienerin ist gut ins Jahr 2022 gestartet, belegte zuletzt beim Grand-Slam-Turnier in Antalya (TUR) den dritten Rang. „Meine Formkurve stimmt. Ich habe gut trainiert, besonders an taktischen Feinheiten gearbeitet. Ich will meine Fehlerquote weiter minimieren.“
Olympia-Bronzemedaillengewinner Shamil Borchashvili (-81) wartet im Gegensatz zu Polleres (Bronze 2018, Tel Aviv) und Krssakova (Silber 2020, Prag) noch auf eine EM-Einzelmedaille. Gemeinsam hat das Trio im Mixed-Team-Bewerb 2019 in Minsk Platz drei belegt. „Ich bin seit Tokio sicher noch stärker geworden, habe meinen Griff und meine Angriffstaktiken weiter verbessert. Ich bin definitiv reif für den 1. Titel. Aber natürlich ist Sofia nur eine Station auf dem Weg zur WM nach Taschkent, aber natürlich eine wichtige.“ Das Teilnehmerfeld in der -81-kg-Kategorie hat es in sich. Unter den 38 Startern finden sich nicht weniger als sechs der Top-10 der aktuellen Weltrangliste, darunter mit Matthias Casse (BEL), Tato Grigalashvili (GEO) und Vedat Albayrak (TUR) die ersten 3 der Weltrangliste. „Bei uns wird’s definitiv heiß hergehen. Jeder will bei der EM ein erstes Statement setzen.“
Absolute Nummer eins in Sachen EM-Medaillen ist Bernadette Graf. Die 29-jährige Tirolerin hat nicht weniger als fünf Medaillen (4 im Einzel, 1 im Mixed-Team) zu Buche stehen. In diesem Jahr tritt sie nach 6-jähriger Pause wieder in der Klasse bis 70 kg an (wie vor Rio 2016). Bei ihrem ersten Auftritt, beim Grand-Slam in Antalya (TUR), setzte „Berni“ mit Rang zwei ein kräftiges Ausrufezeichen. „Ich habe mich selbst überrascht. In Sachen Leistung bleibt aber dennoch noch viel Spielraum nach oben. Die neue Herausforderung macht Spaß.“
Die wichtigsten Zahlen und Fakten zur bevorstehenden EM in Sofia 2022:
- Für die Judo-Europameisterschaft in Sofia sind insgesamt 365 Judoka aus 40 Nationen genannt.
- Die größten Delegationen stellen Gastgeber Bulgarien, Mixed-Team-Olympiasieger Frankreich, Italien und Spanien mit der Maximalzahl von 18 AthletInnen (je 9 Frauen und Männer). Die Ukraine ist mit 15 Judoka vertreten. AthletInnen aus Russland und Belarus sind nicht mit dabei.
- Österreich bietet folgendes Team auf, Frauen (6): Jacqueline Springer (-48/Vienna Samurai/W), Katharina Tanzer (-48/SU Noricum Leibnitz/ST), Lisa Grabner (-57/JC Wimpassing/NÖ), Magdalena Krssakova (-63/JC Sirvan/W), Bernadette Graf (-70/JZ Innsbruck/T), Michaela Polleres (-70/JC Wimpassing/NÖ); Männer (4): Daniel Leutgeb (-60/LZ Multikraft Wels/OÖ), Shamil Borchashvili (-81/LZ Multikraft Wels/OÖ), Wachid Borchashvili (-90/LZ Multikraft Wels/OÖ), Daniel Allerstorfer (+100/UJZ Mühlviertel/OÖ).
- Nicht weniger als drei ÖJV-StarterInnen sind gesetzt: Michaela Polleres ist in der Kategorie bis 70 kg hinter Weltmeisterin Barbara Matic (CRO) und der Weltranglisten-Zweiten Sanne Van Dijke (NED) als Nummer drei gereiht. Die 24-jährige Niederösterreicherin, Olympia-Silbermedaillengewinnerin, konnte bei den Spielen in Tokio sowohl Matic als auch Van Dijke bezwingen. Magdalena Krssakova ist bis 63 kg die Nummer 4 des Turniers. Top-gesetzt ist die Britin Lucy Renshall. Besonders stark präsentiert sich die Kategorie bis 81 kg. Unter den 39 Startern finden sich nicht weniger als sechs Top-10-Athleten, darunter mit Matthias Casse (BEL), Tato Grigalashvili (GEO) und Vedat Albayrak (TUR) die ersten 3 der Weltrangliste. Shamil Borchashvili ist als Nummer 6 gesetzt. Insgesamt stehen in Sofia 7 Weltranglisten-Leader und 22 Top-3-AthletInnen am Start.
- Lisa Grabner (-57), Jacqueline Springer (-48) und Daniel Leutgeb (-60) feiern in Sofia ihr EM-Debüt.
- Österreich hat seit 2013 bei jeder EM mindestens eine Medaille (2013, 2018 und 2019 jeweils 2) geholt. Der letzte EM-Titel in Rot-weiß-rot gelang 2011 (Sabrina Filzmoser, -57, Istanbul/TUR). Seit Headcoach Yvonne Bönisch per 1.1.2021 das Amt übernahm gab’s bei jedem Großereignis eine Medaille (Bronze im April 2021 bei der EM in Lissabon durch Bernadette Graf/-78, Bronze bei der WM 2021 im Juni in Budapest durch Michaela Polleres/-70 und je einmal Olympia-Silber (Michaela Polleres/-70) und -Bronze (Shamil Borchashvili/-81) bei den Olympischen Spielen in Tokio im Juli 2021.
- Weitere Saison-Höhepunkte 2022: Mit dem Grand-Slam in Ulaanbaatar/Mongolei Ende Juni beginnt die Olympia-Qualifikation für Paris 2024, von 6. bis 13. Oktober steigt in Taschkent (UZB) die WM.