"EJU bleibt voll handlungsfähig"

Wien ist bekanntermaßen die Judo-Haupstadt Europas, d.h. Bürositz der Europäischen Judo Union, die 2,3 Millionen aktive Judoka aus 51 Ländern vertritt. Martin Poiger ist nicht nur ÖJV-Präsident, sondern auch EJU-Bürodirektor und Mitglied des EJU-Exekutivkomitees. Im JUDO AUSTRIA-Interview nimmt der 44-jährige Burgenländer Stellung zur Ukraine-Krise und den aktuellen Entwicklungen in der Europäischen Judo Union.

Martin, wie sehr trifft die Ukraine-Krise den Judosport im Allgemeinen und den ÖJV im Speziellen?

Martin Poiger: „Dass wir als Sportverband bewaffnete Auseinandersetzungen verurteilen, versteht sich von selbst. Der Judosport tritt für ein respektvolles Miteinander in allen Lebenslagen ein – davon ist man in Ost-Europa im Moment leider sehr weit entfernt. Bleibt zu hoffen, dass die Diplomatie rasche Auswege aus dieser Krise findet und so bald wie möglich Waffenruhe einkehrt – das wäre im Sinne aller Zivilpersonen im Krisengebiet, das gilt natürlich auch für alle Judoka. Konkret auf den ÖJV angesprochen: Wir hatten keines der in Russland abgesagten Turniere – von den European Cups bis hin zum Grand Slam in Kasan – auf unserem Wettkampfplan, daher müssen wir jetzt auch nicht umplanen.“

Wie überraschend kam für Dich der Rücktritt von EJU-Präsident Sergey Soloveychik?

Poiger: „Ich habe erst am Sonntag, im Rahmen der außerordentlichen Exekutivkomiteesitzung, davon erfahren. Ich kann diesen Schritt natürlich nachvollziehen. Sergey lebt für den Judosport, aber natürlich ist er im Herzen auch ein stolzer Russe. Dieses Spannungsverhältnis würde der EJU kurz- und mittelfristig nicht gut tun. Ein neutraler Interimspräsident ist sicher die bessere Lösung. Damit bleibt die Handlungsfähigkeit zu 100 Prozent gegeben.“

Wie lässt sich die Ära Soloveychik aus ÖJV-Sicht bewerten?

Poiger: „Sergey hatte stets ein Auge für die Entwicklung im heimischen Judo. Er war einer der Ersten, der mir zu den zwei Olympia-Medaillen in Tokio gratuliert hat. Ich kann ihm nur Dankeschön sagen, auch in meiner Funktion als EJU-Bürodirektor. Er hat den Aufstieg des europäischen Judosports stets vorangetrieben. Es war kein Zufall, dass er 2020 einstimmig für weitere vier Jahre gewählt wurde. Sergey war als Präsident unumstritten.“

Sergey Soloveychik hat den Deutschen Otto Kneitinger, 67, als Interimspräsidenten vorgeschlagen, der wurde dann auch einstimmig bestätigt. Wie schätzt Du diese Entscheidung ein?

Poiger: „Otto war immer einer von Sergeys engsten Vertrauten. Er blickt auf eine außerordentlich erfolgreiche Laufbahn im Judo zurück und hat die Entwicklung der EJU in den letzten 2 Jahrzehnten maßgeblich mitbeinflusst. Er ist aus meiner Sicht aufgrund seiner menschlichen Qualitäten, seiner europaweiten Akzeptanz (in der Judo-Familie), sowie aufgrund seines Fachwissens die perfekte Lösung in dieser schwierigen Zeit! Ich kann ihm für die neue Aufgabe nur alles Gute wünschen und meine vollste Unterstützung zusichern!“

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