12. Oktober 2022

Höchstnote für Shamil

ÖJV-Präsident Martin Poiger gehört als Generalsekretär der Europäischen Judo Union zu den internationalen Top-Funktionären. Der 45-jährige Burgenländer im JUDO-AUSTRIA-Gespräch.

Donnerstag geht die Judo-WM in Taschkent mit dem Mixed-Team-Bewerb zu Ende. Mit welchem Gefühl trittst du die Heimreise ein?

Martin Poiger: „Mit einem sehr guten. International gesehen ist es schön zu sehen, dass sich Judo als absolute Weltsportart etabliert. Nicht weniger 190 Nationen haben diese WM übertragen, 120 davon live. 571 Judoka aus 82 Nationen waren am Start, obwohl gemäß einer neuen Regel nur mehr die Top-100 der Weltrangliste (pro Gewichtsklasse) erlaubt waren und die Flugpreise nach Usbekistan zuletzt explodiert sind. Das kann sich sehen lassen. Usbekistan ist ein Judoland, die Stimmung in der Halle war außergewöhnlich. Man hat sein eigenes Wort kaum verstanden. Bei den Finalblöcken waren jeden Tag mehr als 10.000 Fans in der Halle. Das Niveau der Finalkämpfe hätte höher kaum sein können. Ich glaube es nicht übertrieben zu sagen, Judo hat sich von seiner besten Seite präsentiert…“

Mit ÖJV-Brille – wie fällt da die Bilanz aus?

Poiger: „Ich kann unserer sportlichen Führung, Sportdirektor Markus Moser und Headcoach Yvonne Bönisch, nur gratulieren. Wir haben am Tag X, beim Großereignis, wieder abgeliefert. 2 Medaillen in Tokio, jetzt WM-Bronze. 25 von 82 Nationen haben in Taschkent Edelmetall geholt, darunter 15 europäische Länder. Österreich gehört zu diesen Top-Nationen.“

In Tokio hat Shamil Borchasvili mit Olympia-Bronze alle überrascht. Von einer Eintagsfliege kann jetzt – nach WM-Bronze – keine Rede mehr sein, oder?

Poiger: „Man kann die Leistung von Shamil gar nicht hoch genug einschätzen. Die Dichte in der Kategorie bis 81 kg ist unglaublich hoch. Die Top-10 der Weltrangliste waren allesamt am Start – inklusive Olympiasieger und Weltmeister. Von den Ex-Weltmeistern gar nicht zu reden. Das Finale zwischen Grigalashvili und Casse war wahrscheinlich der hochstehendste Kampf der ganzen WM, an Spannung nicht zu überbieten. Und mittendrin war Shamil Borchashvili – er gehört jetzt endgültig zu den Top-Stars der Branche. Das ist wirklich schön zu sehen, auch seine unglaubliche Entwicklung. Man bedenke, dass er erst im Herbst 2018 mit seinem Eintritt zum Bundesheer richtig mit dem Leistungssport begonnen hat.“

Shamil hat abgeliefert. Wie lassen sich die Leistungen des restlichen Teams bewerten?

Poiger: „Michaela Polleres ist Siebente geworden, obwohl sie nicht ihre Bestform abrufen konnte. Sie zählt zur absoluten Weltklasse, auch wenn sie es in Taschkent nicht ganz zeigen konnte. Aber da ist sie in guter Gesellschaft. Auch 2-fach-Weltmeister Jorge Fonseca (-100)musste sich mit Rang 7 zufrieden geben. Doppel-Olympiasieger Lukas Krpalek (+100) fährt überhaupt ohne zählbares Ergebnis heim. Michaela wird auf der World-Tour schnell wieder in die Spur zurückfinden. Ich hoffe, das gilt auch für unsere Langzeitverletzen Magdalena Krssakova und Stephan Hegyi. Ich würde mich freuen, wenn sie beim Masters im Dezember wieder mit dabei sind.“

Wie bewertest du den heimischen Nachwuchs?

Poiger: „Marcus Auer hat als 19-Jähriger bei seinem WM-Debüt eine Talentprobe abgelegt. Aber natürlich würde ich mich über eine noch größere Breite freuen. Je mehr Junge sich unter die Top-100 in der Weltrangliste kämpfen, desto besser. Da haben wir definitiv noch Luft nach oben.“

© Wolfgang Eichler

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